Olympische Sommerspiele in Tokio

Ein Beitrag von Pfarrer Wolfgang Sudkamp.

Nun finden sie doch noch statt – ein Jahr später als geplant und auch unter seltsamen Bedingungen – unter Ausschluß der Öffentlichkeit: Die 32. Olympischen Sommerspiele – nach 1964 zum zweiten Mal im japanischen Tokio. Man mag darüber streiten, ob sie so überhaupt sinnvoll sind, denn Olympische Spiele leben doch auch von den tausenden von Zuschauern in den Arenen und Sportstätten, vom Applaus der Menschen, die die Wettkämpfe begleiten, von einer prunkvollen Eröffnungsfeier mit zig-tausenden von Gästen. Aber diesmal ist alles so anders und wirklichkeitsfremd!

Die Olympischen Spiele er Neuzeit gehen zurück auf sportliche Wettkämpfe im antiken Griechenland. Sie waren aber keine reinen Sportveranstaltungen in unserem heutigen Sinne, sondern ein religiöses Fest zu Ehren des Göttervaters Zeus und des göttlichen Helden Pelops. Diese antiken Spiele waren überaus brutal und man musste als Teilnehmer selbst mit dem Tod rechnen.

Heute ist das anders. Fragt man mal die Sportler, was der wichtigste Baustein des Erfolges ist, so lautet in den meisten Fällen die Antwort: Hartes und konsequentes Training. Die Medaillen, die in Tokio vergeben werden sind die Konsequenz oft mehrjähriger Vorbereitung.

Und das heißt doch im übertragenen Sinn für uns als Christen und glaubende Menschen: der Weg zum Heil, der Weg zur Rettung, bedarf des Trainings, es ist ein Weg des Einübens. Nicht zufällig bezeichnet der Hl. Ignatius von Loyola seine Geistlichen Übungen als Exerzitien, vom lateinischen exercitium für Übung.

Fragen wir uns als Christen angesichts der beginnenden Wettkämpfe in Tokio einmal: Welche Trainingseinheiten können wir absolvieren?

Da ist z.b. das persönliche Gebet. Im persönlichen Gebet, indem ich Gott als ein Gegenüber in mein Leben lasse, über ich mich ein in die Gewissheit: „Wenn niemand mir zuhört, hört Gott mir immer noch zu.“

Weitere Übungen können helfen, die Spuren Gottes in meinem Leben zu entdecken. Die Bibel zu lesen und die Sakramente zu empfangen, Gottesdienst zu feiern, die Gemeinschaft der Kirche zu erleben – all das sind Wege, sich einzuüben auf dem Weg zum Heil.

Wenn Menschen miteinander eine Beziehung eingehen, dann müssen sie sich kennen lernen, der gemeinsame Alltag bedarf der Übung. Ebenso ist es mit der Gottesbeziehung. Wer eine lebendige Gottesbeziehung haben will, der muss sich darin einüben.

Im Sport und auch in der Musik ist es jedermann einsichtig, dass zu einer guten Praxis auch die Übung dazu gehört. Warum sollte das in der Glaubenspraxis anders sein? Ein Musiker, der sein Instrument beherrsccht kann es schaffen, wie man so schön sagt, den Himmel zu öffnen. Momente zu schaffen, in denen Himmel und Erde sich berühren, Menschen zu begeistern. Ein Glauben, der keine Gestalt hat, wird das nicht schaffen.

Bei allem Bewusstsein der Notwendigkeit ständiger Übung dürfen wir aber eines nicht vergessen: Übung allein bringt keinen Erfolg. Bei den jetzigen Olympischen Spielen werden wir wieder beobachten können, dass den hoch trainierten Athleten am Ende immer ein gewisses Etwas zum Sieg verhilft.

Sie nennen es oft Glück. Wir Christen nennen es Gnade. Und Gnade bedeutet: Gott schenkt uns etwas – unverdient. Jetzt ist es aber nicht so, dass wir durch fleissiges Üben Gottes Gnade verdienen können. Gnade ist immer umsonst, gratis – unverdient. Aber die regelmäßige Übung macht uns wachsam für den Moment der Gnade – wir nennen ihn kairos, den von Gott gegebenen Zeitpunkt, eine besondere Chance und Gelegenheit unsere Sendung zu erfüllen.

Diesen Kairos hat Whitney Houston vertont. Zu den Olympischen Sommerspielen in Seoul 1988 hat sie einen unvergessenen Song geschrieben – diesen Olympiasong können wir auch 2020 noch über die kommenden Wettkämpfe schreiben:

„Jeder Tag, den ich lebe soll ein Tag sein, an dem ich mein Bestes gebe.

Ich möchte diesen einen besonderen Augenblick, an dem ich mehr bin, als ich jemals dachte, sein zu können.

Dann, in diesem einen besonderen Augenblick werde ich die Ewigkeit spüren.“

Auch wenn diese Spiele so ganz anders sind, erfreuen wir uns doch an ihnen und wünschen unseren Sportlerinnen und Sportlern viel Freude und Erfolg.

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