Auf den archäologischen Spuren Jesu in Jerusalem

Nachdem vor 10 Tagen die Theologin Praxedis Freifrau von Boeselager in tiefe Glaubensfragen begleitend zur Grabtuch-Ausstellung eintauchen ließ, ging es am Samstagabend um die „Leiden Jesu aus archäologischer Sicht“. Frau Dr. Sophie Prinzessin zu Löwenstein nahm die Zuhörenden in der Kirche St. Johannes Baptist in Herford mit auf eine fast 3000 Jahre andauernde Spurensuche im historischen Jerusalem. Wie Dechant Haringhaus in seiner Anmoderation erwähnte, war die Kuratorin der Malteser-Ausstellung Frau Dr. zu Löwenstein selbst einige Jahre Leiterin einer Forschungsgruppe in Jerusalem auf der Suche nach der historischen Stadtmauer zur Zeit Jesu. Und so spürte man während des Vortrags, visuell unterstützt von Fotos und Karten aus Jerusalem, die große Leidenschaft der Forscherin.

Jerusalem sei für uns heute das dichteste Zentrum an Erinnerungsorten der drei großen monotheistischen Weltreligionen – Judentum, Islam und Christentum – in ganz vielfältigen Konfessionen und Ausprägungen, verbunden mit vielen Friedensbegegnungen, aber auch viel Hass, Gewalt und auch Krieg. Diese Kriege haben über die Jahrhunderte immer wieder komplette Zerstörungen und Wiederaufbau gebracht. So beschäftigt sich die Archäologie vor Ort mit Ausgrabungen aus den verschiedensten Epochen: der Zeit des Salomonischen Tempels und der Davidsstadt (um 950 v.Chr.), nach der Zerstörung durch die Babyloner die Zeit des zweiten Tempels, dann die herodianische Zeit Jesu und der Römer mit der kompletten Zerstörung Jerusalems (70 und 138 n.Chr.) und der Zersprengung des Judentums in die Diaspora. Byzanz, Persien, islamische Herrschaft, Seldschuken, Kreuzzüge, Mamluken, Christliche Ritterorden, Osmanisches Reich, Britische Vorherrschaft, UN-Plan, Staat Israel und Palästina: Jerusalem musste viele Auseinandersetzungen erleben. Auch das Interesse an der Stadt als christlicher Pilgerort erlebte Wellenbewegungen. Nach der konstantinischen Wende 4. bis 6. Jhdt. wurden an vielen Erinnerungsorten Kirchen errichtet, die oft später wieder zerstört worden sind. Genauso war es dann zur Zeit der Kreuzfahrer und Ritterorden.

Frau Dr. zu Löwenstein führte vormittags durch die Ausstellung

Die Europäer entdeckten dann Jerusalem erst wieder in der imperialistischen Kolonialzeit des späten 19. Jahrhunderts. So erwarb der deutsche Kaiser Wilhelm II. Grundstücke, auf denen er Bauten errichten ließ, die heute die Silhouette der Jerusalemer Altstadt prägen: die ev. Erlöserkirche auf dem Muristan, die kath. Dormitio Abtei auf dem Zionsberg, die Himmelfahrtkirche mit Hospital Auguste Viktoria auf dem Ölberg oder auch das Pilgerhaus Deutsches Hospiz St. Charles in der German Colony. Aber auch Rußland, Frankreich, Großbritannien, Österreich und viele andere Staaten haben dort Kirchen und Gebäude errichtet, die heute als Erinnerungs- und Pilgerstätten verehrt und besucht werden. Kaum eine der Stätten incl. der Via dolorosa sind historisch genau an den Stellen belegt, einzig Golgotha und das Grab Jesu befinden sich tatsächlich am angegebenen Ort, wie jüngste umfangreiche Ausgrabungen im Muristan unter der Erlöserkirche seit 2014 belegen. Trotzdem sind die 14 Stationen der via dolorosa, der Abendmahlsaal, der Garten Gethsemane und die vielen anderen Orte gläubige Erinnerungsstätten, die an Jesu Leben, Passion und Auferstehung, an all das, was wir in den Evangelien lesen, anschaulich erinnern können. Genauso wie das Turiner Grabtuch.

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