Wort zum Sonntag: „Hosanna“

Bild: Klaus Herzog | In: Pfarrbriefservice.de

Den Sonntag eine Woche vor Ostern nennen wir Christen „Palmsonntag“. In den Gottesdiensten wird vorgelesen, wie Jesus damals mit seinen Jüngern zum Paschafest nach Jerusalem kam. Vor der Stadt wurde er von einer jubelnden Menge begrüßt, die Palmzweige schwenkte.

Das Land Israel war von den Römern erobert worden. Die Bevölkerung wurde unterdrückt und ausgebeutet. Und nun kam dieser Wanderprediger aus Nazareth, von dem so wunderbare Dinge berichtet wurden. Er hatte keine Furcht vor den einflussreichen Männern aus Religion und Politik, widersprach ihnen und missachtete ihre Gesetze. Man hörte auch von Brotwundern, Krankenheilungen und sogar Totenerweckungen. Kein Wunder, dass viele Menschen große Erwartungen an diesen Mann hatten. Und so riefen sie ihm zu: „Hosanna dem Sohn Davids. Gesegnet sei er, der kommt im Namen des Herrn.“ (Mt. 21,9)

„Hosanna“ kommt aus der aramäischen Sprache und bedeutet ursprünglich: „Hilf doch!“ Die Menschen waren voller Hoffnung. Wenn ihnen einer in dieser furchtbaren Zeit der Unterdrückung helfen konnte, dann dieser Jesus. Dieser Mann konnte doch nur der verheißene Messias, der von Gott versprochene Helfer und Retter sein. Zum Zeichen ihrer Hochachtung und Verehrung schwenkten sie Palmzweige. In der Antike wurde Siegern mit Palmzweigen gehuldigt und zugejubelt. Viele Menschen sahen sich also schon am Ziel ihrer Träume. Dieser Jesus würde die Römer aus dem Land jagen. Er, der aus der Familie des großen Königs David kam, würde das Land Israel wieder so groß und einflussreich machen wie damals unter König David. Gott würde seinem Volk durch diesen Mann wieder zu Frieden und Wohlstand verhelfen.

Doch als Jesus näherkam, folgten Schock und Ernüchterung. Jesus ritt auf einem Esel. Während das Pferd als Reittier der Soldaten ein Symbol für den Krieg war, galt das Arbeitstier der einfachen Leute als Sinnbild für Bescheidenheit und Friedfertigkeit. Schon der Prophet Sacharja sprach von einem Friedensfürsten, der auf einem Esel ritt. Deutlicher konnte Jesus nicht zeigen, dass er nicht kämpfen und keine Gewalt anwenden würde. Die Enttäuschung der Menschen war riesig. „Jesus könnte helfen, will es aber nicht. Er lässt uns im Stich. Dann kann er auch kein Mann Gottes sein …“ Diese und ähnliche Gedanken schossen ihnen wohl durch den Kopf. Und auf die Frustration folgte die Aggression: „Wenn er uns nicht helfen will … dann ans Kreuz mit ihm.“

Diese ohnmächtige Wut kann man gut nachfühlen. Den Menschen geht es schlecht, sie brauchen Hilfe. Aber der, der helfen könnte, tut in den Augen der Leidenden nichts, zu wenig oder das Falsche. An diesen Gefühlen hat sich seit der Zeit Jesu nichts geändert. Wir hören es momentan aus der Ukraine, da geht es um Waffenlieferungen und neue Sanktionen. Wir erleben den Frust von Klimaaktivisten und Gewerkschaften im Hinblick auf politische Entscheidungen und den Ärger und die Enttäuschungen vieler katholischer Christen wegen der Aussagen aus Rom. In anderen Konflikten weltweit bleibt es nicht bei verbalen Auseinandersetzungen und Streiks, sondern es folgen Zerstörungen und Gewalt gegen Andersdenkende bis hin zu Bürgerkriegen.

Wie schwer fällt es uns doch, aufeinander zu hören, die Argumente und Bedenken der anderen zu verstehen und geduldig nach Lösungen zu suchen, die allen gerecht werden. Darum sollten wir heute wie damals rufen: „Hosanna – hilf doch, Gott, – dass es uns gelingt!“ 

Armgard Diethelm

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