„Meerstern, ich dich grüße!“

Ein Beitrag von Pfarrer Wolfgang Sudkamp zum Marienmonat Mai.

Mit dem Lied „Meerstern ich dich grüße“ rückt eine Frau in den Mittelpunkt. Wo doch die katholische Kirche sonst eigentlich nur von Männern dominiert wird, geht es in diesem Lied um Maria, die Gottesmutter.

Gerade in den Marienmonaten Mai oder im Oktober wird es gern gesungen – es ist übrigens mein liebstes Marienlied. Das hängt vielleicht auch damit zusammen, dass es in seiner jetzigen Fassung von einem Westfalen stammt, von August Franz von Haxthausen, übrigens einem Onkel der Dichterin Annette von Droste-Hülshoff. Der Text dieses Liedes aber geht in seiner lateinischen Fassung auf das 08. Jh. zurück: „Ave maria stella“.

„Meerstern ich dich grüße, o Maria hilf! Gottesmutter süße, o Maria hilf! O Maria hilf. Maria, hilf uns allen, aus unserer tiefen Not.“

Das Lied bezeichnet Maria, die Gottesmutter, als Meeresstern. Ein Bild au der Seefahrt. Und das passt zu Maria. Ihr Name heißt auf Hebräisch „Mirjam“ und bedeutet: Meer. Der Meerstern ist der Stern, an dem sich Seeleute in der Nacht orientieren und der sie zur Rettung lotst. Solche Nächte, in denen ich Orientierung suche, kennen wir allen auch im übertragenen Sinn. Wenn man vielleicht an die politischen Diskussionen in Europa denkt, in denen darum gerungen wird, wie wir zusammen halten; aber auch wenn ich persönliche Entscheidungen treffen muss. Ich muss mich immer wieder entscheiden, ich muss mich orientieren, wenn es um die prinzipiellen Fragen im Leben geht: Letztlich darum, ob ich auf Gott vertrauen kann und mich darauf verlasse, dass er alles zum Guten führt.

Für viele Menschen ist Maria dabei eine Orientierung. Zunächst ist sie zwar nur die Mutter Jesu. Mutter sein, bedeutet aber, sich für das Leben entscheiden, Sorge tragen dafür, dass sich der Sohn oder die Tochter gut entwickelt: Was eine Mutter tut, dient dem Leben ihrer Kinder. Und ich glaube, dass das ein maßgebliches Kriterium ist, das mir hilft, wenn ich Antworten suche bei Fragen und Entscheidungen; zum Beispiel, wie viel Energie ich in eine berufliche Karriere stecke und welchen Stellenwert Familie und Freizeit haben: Es geht bei all dem darum, dass das, was ich entscheide und tue, dazu dient, dass sich mein Leben und das Leben der anderen gut entwickeln kann.

„Dich als Mutter zeige, o Maria hilf! Gnädig uns zuneige, o Maria hilf! Maria, hilf uns allen aus unsrer tiefen Not.“

Das Lied verwendet viele Bilder für Maria, die Rose ohne Dornen, die Lilie, die Trösterin. Aber bei all den Bildern ist für mich das Entscheidende, dass sie zeigen, was Maria vorgelebt hat. Sie hat auf Gott vertraut, als sie schwanger wurde, sie hat die Botschaft ihres Sohnes gehört und sie hat zu ihm gehalten und auf Gott gehofft, als er von seinen Gegnern ermordet worden ist. Das zu sehen, hilft mir. Wenn ich traurige Zeiten erlebe, in denen ich um dieses Vertrauen und um diesen Mut ringen muss.

Viele Leute brauchen Maria dazu nicht. Aber mir persönlich macht sie Mut, so wie sie in diesem wunderschönen Lied mit seinen herrlichen Bildern charakterisiert wird, eine Frau, die sich mütterlich für das Leben einsetzt. Der Dichterpfarrer Kurt Marti (ihm verdanken wir einige Lieder im Gesangbuch) beschreibt das so:

„Und Maria trat aus ihren Bildern und kletterte von ihren Altären herab und sie wurde das Mädchen courage, die heilig kecke Jeanne d‘ Arc.

Rebellin gegen Männermacht und Hierarchie.

Und sie war die kleine Therese,

aber Rosa Luxemburg auch und sie war und sie ist vielleibig vielstimmig

die subversive Hoffnung ihres Gesangs.“

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