Dostojewski – 200. Geburtstag am 11. November 2021

Wir stehen in einem Dostojewski-Jubiläumsjahr – am 11. November 1821 wurde der Dichter in Moskau geboren. Wer kennt nicht wenigstes eines seiner vielen Werke!

Es gibt Geschichten, die sind einfach und schön. Man liest oder hört sie gern. Und dann gibt es wiederum andere Geschichten, die machen es einem wahrlich nicht einfach. Zu ihnen gehören sicherlich die vielen Geschichten und Romane Dostojewskis. In ihnen prallen Welten aufeinander, nur einfach und glatt sind sie nicht. Sie erzählen aus dem Russland des 19. Jh., aber vor allem erzählen sie von Menschen. Das ist kein Ausflug in eine heile Welt.

Das ist z.B. ein Spieler, der bei einen vielen Reisen das Spielen mit Geld nicht lassen kann. Er ist bereits hochverschuldet, aber er kommt nicht los. Da ist ein anderer Mann, der aus seinen Träumen aufschrickt, weil er sie so schrecklich findet. Aber er klügelt sie aus, und er führt sie aus. Da sind Menschen, die einmal frei waren, aber ihre Freiheit verloren haben, und andere, die gerade dabei sind, ihre Freiheit freiwillig aufzugeben.

Dostojewski erzählt von Menschen. Es mag ihm auch um Ideen gehen und um Ideale. Aber er beschreibt vor allem Menschen, die nicht ideal sind und nicht so sind, wie sie gerne wären. Er beschreibt sie nicht von außen, nicht von oben. Wenn er von Menschen erzählt, dann wird verständlich, warum sie so sind, wie sie sind. Auch das Grobe und Abstoßende wird weder verharmlost noch beschönigt noch verurteilt: Es wird verstanden.

Dostojewskis Figuren sind große Debattierer und Träumer. Sie arbeiten wenig und reden viel. Auch er selbst hat diese weitschweifigen Romane geschrieben. Und dennoch zählen für ihn nicht die großen Worte. Sein Christentum will sozial und politisch sein. Er hat eine tiefe Frömmigkeit in sich, die nach den Taten fragt und nach dem, wie Menschen sich miteinander und zueinander verhalten. Inmitten eines groß angelegten Romans mit dem Titel „Die Brüder Karamasow“ geht er einer Phatasie nach: „Wiewäre es, wenn Christus heute noch einmal auf der Erde erschiene?

Nach seiner unendlichen Barmherzigkeit erscheint er noch einmal unter den Menschen, in derselben irdischen Gestalt, in der vor vielen Jahrhunderten schon einmal unter ihnen wandelte.“

So beginnt die berühmte Erzählung „Der Großinquisitor“, die wie ein Gleichnis ist. Christus erscheint noch einmal in der großen Stadt. Und was passiert? Er heilt. Christus sieht die Menschen an, und sie verändern sich. Er fasst die Kranken an, und sie werden gesund. Ein totes Mädchen wird zu ihm gebracht, und er erweckt es zu neuem Leben. Es ist, wie es schon einmal war. Und die Menge jubelt ihm zu. Nur die Großen und Mächtigen, die wollen ihn nicht. Ihnen ist er im Weg. Denn sie selbst wollen die Menschen führen, und sie selbst wollen bestimmen. Sie behaupten, die Menschen gäben ihre Freiheit gerne ab. Ja, selbst zu urteilen, was richtig und was falsch ist, das sei den Menschen zu viel. Mit dem, was Christus wollte, seien die Menschen überfordert. – Christus erwidert nichts. – Er küsst den Großinquisitor, bevor er wieder geht. Nicht die großen Worte zählen.

Es lohnt sich vielleicht jetzt in der dunklen Jahreszeit mal wieder einen dicken Wälzer von Dostojewski zur Hand zu nehmen und in seine Gedankenwelt zu versinken.

Ein Beitrag von Pfarrer Wolfgang Sudkamp.

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