Liebe Leserinnen und Leser,
wann ist eigentlich Ostern? Nun, der Pastor sollte das eigentlich schon wissen, um wenigstens eine thematisch einigermaßen passende Predigt zum Ostergottesdienst mitzubringen. Man kann es auch einfach im Kalender nachlesen. Die Berechnung des Ostertermins ist allerdings etwas komplizierter. Einerseits richtet sich der Termin nach dem Sonnenkalender. Ostern ist immer nach dem Frühlingsanfang. Andererseits richtet er sich nach dem Mondkalender. Der erste Vollmond im Frühling ist abzuwarten. So kann der Ostertermin schon mal vier Wochen wandern. Und dann ist noch der Wochentag, in diesem Fall der Sonntag, entscheidend.
Eine Uhr, die nach dem Mond geht, gilt als unzuverlässig. Beim Kalender ist das allerdings in Ordnung. Zumal bei einer Kombination von Mond- und Sonnenkalender, wie bei der Berechnung von Ostern oder etwa auch beim chinesischen Neujahrsfest. Beim Sterben Jesu, so berichten die Evangelien, trat eine Sonnenfinsternis ein. Das darf man durchaus auch symbolisch sehen. Der, der von sich sagt: „Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, wird nicht in der Finsternis gehen.“, stirbt. Das Licht der Welt erlischt. Die Sonne verfinstert sich.
Als der frühere Erzbischof von Manila Luis Antonio Tagle – seine Mutter stammt aus China – mit chinesischen Studierenden in Rom das chinesische Neujahrsfest feierte, ließ er sich von eben dieser Tatsache inspirieren, dass China und viele andere asiatische Länder dem Mondkalender folgen. Die Symbolik findet sich auch schon bei den Kirchenvätern. Hugo Rahner, der als Theologe leider im Schatten seines Bruders Karl steht, hat dazu gearbeitet. „Einige Kirchenväter“, so der Kardinal wörtlich, „bezeichneten die Sendung der Kirche als einen ‚Monddienst‘ und sprachen vom ‚mysterium lunae‘. Die Sonne, das Licht ist Jesus Christus, und die Kirche muss sich wie der Mond auf das Licht verlassen, das von Jesus kommt.“ Man spricht auch von einer „lunaren Ekklesiologie“. Hinterm Mond bleibt es dunkel. Der Christ und die Kirche leuchten nicht mit ihrem eigenen Licht. Sie können der Welt nur das Licht Christi geben, indem sie es sozusagen reflektieren, wie der Mond das Licht der Sonne. Getrennt von der Sonne hat der Mond kein eigenes Licht. „Und doch behält der Mond das Licht, das er von der Sonne empfängt, nicht für sich, sondern bricht es in Richtung Erde, ‚teilt‘ es mit der Erde.“, predigte der Kardinal.
An jedem Osterfest feiern wir mitten in der Nacht das zunächst schwache Licht der Osterkerze, das Licht Christi, das Licht des Lebens in der Dunkelheit des Todes. Wir, die Christen wie auch die Gesamtheit der Kirche, wenden uns Christus zu, um das Licht Christi zu empfangen, und das Licht Christi – nicht unser eigenes Licht – mit der Welt zu teilen. Jesus ist -wie Simeon ihn im Tempel nennt und auch der Titel eines wichtigen Textes des Zweiten Vatikanischen Konzils lautet– „Lumen Gentium“, das Licht der Völker.
Wir sind der Mond. Das warnt vor der Vermessenheit sich selbst für eine allzu große Leuchte zu halten und bewahrt vor der Überforderung zu meinen, alles aus eigener Kraft retten zu müssen. Das geht nämlich gar nicht. Christus ist das Licht selbst in der Dunkelheit des Todes. Es mag meinem etwas eigenen Kohlenpott-Humor geschuldet sein, aber ins rechte Licht gerückt wird vieles schön und erhält einen eigenen Glanz geschenkt, den man ihm so gar nicht zutrauen würde und den es doch widerspiegeln kann. So wird es in einem Klassiker besungen, der meines Wissens allerdings weder auf die Kirchenväter zurückgeht noch ein chinesisches Neujahrslied ist.
„Nichts ist so schön
wie der Mond von Wanne-Eickel.
Die ganze Luft
ist erfüllt vom ew’gem Mai.
Und jede Nacht
am Kanal von Wanne-Eickel
ist voller Duft
wie die Nächte von Hawaii.“
Ich wünsche Ihnen und Ihren Lieben ein frohes und gesegnetes Osterfest mit dem ein oder anderen erfreulichen und erhellenden Lichtblick des Auferstehungsglaubens, der sich vielleicht auch in Ihrem Gesicht für andere widerspiegeln kann! – Es muss kein Mondgesicht sein.
Dechant Gerald Haringhaus