Wegbereiter

Heute ist der Festtag des heiligen Johannes, des Täufers. Er ist der Patron unserer Herforder Kirche St. Johannes Baptist.

Nach dem Lukas-Evangelium ist Johannes der Sohn des Priesters Zacharias und seiner Frau Elisabeth, einer Verwandten Marias. Das Priesterkind aus gutem Haus würden wir heute als Aussteiger bezeichnen. Johannes lebt unter primitivsten Bedingungen in der Wüste, weit weg von der lauten und hektischen Hauptstadt, in der die Eroberungspolitik der Römer, religiöse Auseinandersetzungen und Handel und Konsum die Menschen in Atem halten.

Und wie vor ihm andere Propheten und Mahner, fordert Johannes dort in der Wüste die Menschen auf: Kehrt endlich um. Ihr habt Gott nicht Gott sein lassen, weil ihr selbst sein wolltet wie Gott. Darum sind euch auch eure Mitmenschen gleichgültig geworden.

Johannes merkt bald: Es ist gar nicht so einfach, seinen Zuhörern klarzumachen, dass es fünf Minuten vor zwölf ist. Mit einem Bild versucht er, sie aufzurütteln: „Die Axt ist den Bäumen schon an die Wurzeln gelegt!“ Natürlich nicht alle Bäume, nur „die Bäume, die keine guten Früchte bringen, werden umgehauen und ins Feuer geworfen“, sagt Johannes. Gute Früchte bringen nach Johannes diejenigen Menschen hervor, die teilen und nicht betrügen, erpressen oder misshandeln.

Viele seiner Zuhörer kann Johannes überzeugen. Er taucht sie einmal ganz im Jordanwasser unter. Die Menschen wissen, diese Taufe ist ein Zeichen dafür, dass Gott sich ihnen wieder zuwenden und ihre Schuld vergeben will. Aber Johannes stellt beim Taufen auch klar. „Ich kann euch nur mit Wasser zur Umkehr taufen. Aber nach mir kommt einer, der ist viel größer und wichtiger als ich.“

Johannes weiß, dass er nur den Weg bereiten kann. Aber für diese Aufgabe setzt er sich unermüdlich und unter Einsatz seines Lebens ein. Weil er den König verärgert und der ihn hinrichten lässt, wird Johannes selbst nicht mehr erleben, ob seine Predigt „nachhaltig“ wirkt, ob die Menschen dauerhaft ihr Leben verändern und ob mit dem von ihm angekündigten Retter das Reich Gottes zum Durchbruch kommen wird.

Und heute? Auch heute lautet die Analyse: Ihr habt Gott nicht Gott sein lassen, weil ihr selbst sein wolltet wie Gott. Aber eure Herrschaft fügt der Erde nur Schaden zu: Wasser und Luft werden verschmutzt, Pflanzen- und Tierarten ausgerottet, die Natur aus Egoismus zerstört. Eure Mitmenschen leiden unter Kriegen, Hunger, unmenschlichen Arbeitsbedingungen, Diskriminierung, fehlendem Zugang zu Trinkwasser, Bildung, Krankenfürsorge, …

Sehr viele Menschen ziehen wie zu allen Zeiten Nutzen aus dem Schaden der anderen. Manche sehen es nicht oder wollen es nicht wahrhaben. Und viele derjenigen, die die Zeichen der Zeit erkennen, resignieren unter der Fülle der aktuellen Probleme.

Zum Glück gibt es jedoch nicht wenige, die die Situation wie Johannes nicht einfach hinnehmen, sondern genau hinsehen, erklären, protestieren, und nicht nur reden, sondern bei der Gestaltung ihres eigenen Lebens mit gutem Beispiel vorangehen. Und die sich unter den vielen Gleichgültigen oft vorkommen wie der Rufer in der Wüste. Ihnen ist bewusst, dass sie wie Johannes wohl nicht mehr erleben werden, ob ihr Konsumverzicht, Einsatz von Zeit und Geld für Hilfsbedürftige, das Ertragen von Beleidigungen, Einschränkungen ihrer Rechte, Angriffen auf ihr Leben … nachhaltige Veränderungen bewirken werden. Aber sie sehen den Sinn ihres Lebens, ihre Aufgabe darin, Wegbereiter zu sein. Sie haben die Hoffnung nicht aufgegeben, dass diejenigen, die nach ihnen kommen, verstehen, was diese Welt braucht, um sich zum Guten zu entwickeln – und es dann tun!

Armgard Diethelm