„Da berühren sich Himmel und Erde“

In diesem Jahr werden die Strände von Nord- und Ostsee wohl voller werden. Viele Strände in anderen Ländern dagegen werden leerer sein, weil Touristen aus Deutschland in diesem Jahr nicht dorthin reisen werden. Doch Urlaub an einem Strand sollte es sein. Denn schon sehr lange, übt das Meer für die „Landratte“ Mensch eine faszinierende Anziehungskraft aus.
Die altgriechische Philosophie sah in der beruhigt glatten See ein stimmiges Bild für den befriedeten Menschen.
Es gibt kein Meer mehr, dessen Wassermassen nicht belastet, vermüllt und erhitzt sind, dass einen alle Romantik vergehen möchte. Die Meere sind zu einem ökologischen Problemfall geworden und Pabst Franziskus nimmt deshalb die Meere in der Sozialenzyklika „Laudato si“ als Beispiel für ein von uns Menschen verantwortendes Umweltdesaster.
Und doch zieht es mich und so viele Sonnenanbeter, Strandläufer und Surfer fast magisch ans Wasser.
Unzählig sind Verse und Gedichte, in denen das Meer besungen wird. Der Lyriker Uwe Kolbe etwa lässt ein Gedicht über beziehungsweise an „Die Nordsee“ mit diesen Versen enden: „Wir kommen ans Meer aus zwei Gründen: erhaben zu sein und uns nichtig zu finden.“
Genau diese Entgrenzungserfahrung, in der wir unsere  Nichtigkeit und unsere Wichtigkeit begegnen, finden wir in diesen Beschreibungen : „ Meer der Gottheit“ – „Meer der Seele“ oder in dem Satz von Antoine de Saint-Exupery: „Wenn du ein Schiff bauen willst, dann zeige den Leuten nicht Holz und Werkzeug, sondern lehre sie die Sehnsucht nach dem weiten Meer“
Doch auch schon Strand und Ufer sind voller Symbolik. Da berühren sich Land und Wasser, Himmel und Erde. Dieses elementare Zusammenkommen aller vier Weltelemente lässt etwas ahnen vom Mandala des Ganzen. Die Weite und Tiefe des Meeres mit seinen Gezeiten – kann das nicht zum Inbild des Lebens und der göttlichen Gegenwart werden? Wie im Gedicht „Meer“ von Erich Fried:

„ Wenn man ans Meer kommt
soll man zu schweigen beginnen
bei den letzten Grashalmen
soll man den Faden verlieren
und den Salzschaum
und das scharfe Zischen des Windes einatmen
und ausatmen
und wieder einatmen.
Wenn man den Sand sägen hört
und das Schlurfen der kleinen Steine
in lange Wellen
soll man aufhören zu sollen
und nichts mehr wollen nur Meer
Nur Meer.“

In Gedanken bin ich schon da und doch muss ich noch die Tage zählen –  neunmal schlafen bis ich am Armeländer – Nordseestrand die Zee begrüße und zu schweigen beginne.

Holger Schirk
(inspiriert durch einen Artikel in der Rubrik „Mystik im Alltag“ von Gotthard Fuchs /in Christ In der Gegenwart Nr 28 /2020)