Alles beim Alten?

Diesen Eindruck könnte man gewinnen, wenn man dieser Tage, nach dem die ersten Lockerungen der Schutzmaßnahmen umgesetzt werden, die Nachrichten verfolgt. Ehrlich gesagt kann ich es gut verstehen, dass sich die Menschen nach dem „Alten“, dem „Normalen“ sehnen, eben nach einem Leben, dass sie Anfang des Jahres vor Covid19 geführt haben. Auch wenn einiges von dem, was vor einigen Wochen noch normal war, jetzt wieder möglich ist, fühlt es sich doch anders an. In den letzten Wochen hat sich etwas verändert, ja es ist etwas geschehen, das massiv in unser gewohntes Leben, in unsere Bequemlichkeit und unseren Wohlstand hier zu Lande eingegriffen hat und auch weiterhin eingreifen wird. Der wohl schmerzlichste Einschnitt ist der, dass soziale Kontakte gemieden werden sollen: der Besuch bei den Großeltern oder in Altenheimen bzw. Krankenhäusern, das Treffen mit Freunden, Arbeitskollegen oder Mitschülern, gemeinsame Aktivitäten im Verein… Begegnung in der Öffentlichkeit ist nur noch zu zweit möglich, mit dem gebührenden Abstand von mind. 1,5 Metern. All die Maßnahmen zur Eindämmung des Corona-Virus zeigen uns: Es gibt Dinge, die verändern unser Leben von einem Augenblick zum nächsten. Und sie machen deutlich: So schnell wird nicht wieder alles beim Alten sein!

Eine Erfahrung, die auch schon die Anhänger Jesu gemacht haben. Sie hatten alles aufgegeben und waren Jesus gefolgt, haben ein neues Leben mit ihm angefangen. Sie waren voller Tatendrang und Hoffnung – bis zur Kreuzigung. Danach war alles anders. Das gewohnte Leben, die gemeinsamen Zeiten, das Erlebte und Stärkende der Gemeinschaft – all das war mit einem Mal anders. Doch sie haben sich den Herausforderungen gestellt – angetrieben von der frohen Botschaft der Auferstehung des Herrn und gestärkt durch die Kraft des Hl. Geistes. Für die Anhänger Jesu war damit sicher nicht alles beim Alten. Es ging vielleicht ähnlich weiter. Ganz sicher ging es anders weiter. Was daraus geworden ist, sehen wir heute: eine große Gemeinschaft von Glaubenden, die Kirche.

Auch wenn wir derzeit keine öffentlichen Gottesdienste feiern können, sind wir doch im Gebet verbunden, das uns Mut machen und stärken will, uns den Herausforderungen zu stellen, diese Krise zu meistern und Schritt für Schritt zu einem neuen Alten zu finden. Gemeinsam wird uns das gelingen!

Ich lade Sie und Euch heute Abend um 19.30 Uhr ein, eine Kerze anzuzünden und das folgende Gebet zu sprechen:

Ökumenisches Gebet in Zeiten der Corona-Krise
Guter und barmherziger Gott!
In Zeiten von Verunsicherung und Krankheit kommen wir gemeinsam zu Dir und werfen alle unsere Sorgen auf Dich.
Du schenkst uns neue Zuversicht, wenn uns Misstrauen und Unsicherheit überwältigen.
Du bleibst uns nahe, auch wenn wir Abstand voneinander halten müssen.
Wir sind in deiner Hand geborgen, selbst wenn wir den Halt zu verlieren drohen.

Wir bitten dich für alle Menschen, die sich mit dem Corona-Virus angesteckt haben und erkrankt sind;
für alle Angehörigen, die in tiefer Sorge sind;
für alle Verstorbenen und für die, die um sie trauern;
für alle, die Angst um ihren Arbeitsplatz haben und um ihre Existenz fürchten:
Sei ihnen allen nahe, gib ihnen neue Hoffnung und Zuversicht,
den Verstorbenen aber schenke das Leben in deiner Fülle.

Wir bitten dich für alle Ärztinnen und Ärzte, für alle Pflegenden in den Kliniken, Heimen und Hospizen;
für alle, die Verantwortung tragen in Staat, Gesellschaft und Wirtschaft;
für alle, die uns Tag für Tag mit dem Lebensnotwendigen versorgen;
für alle Seelsorgerinnen und Seelsorger, die den Menschen Gottes Frohe Botschaft zusagen.
Sei auch ihnen nahe und schenke ihnen Kraft, Mut und Zuversicht.

Wir bitten dich für die jungen Menschen unter uns, die Kinder und Jugendlichen,
für alle, die um ihre Zukunft fürchten,
für die Familien, die die erzwungene Nähe nicht gewohnt sind,
für alle, die die Betreuung von Kindern und Jugendlichen übernommen haben.
Sei ihnen allen nahe, schenke ihnen Geduld und Weitsicht, Verständnis und Hoffnung.

Wir bitten dich für die Menschen weltweit, deren Gesundheit an jedem Tag gefährdet ist,
für alle, die keine medizinische Versorgung in Anspruch nehmen können,
für die Menschen in den Ländern, die noch stärker von der Krankheit betroffen sind.
Sei ihnen allen nahe und schenke ihnen Heilung, Trost und Zuversicht.

Auch bitten wir dich für uns selbst:
Lass uns trotz aller Sorgen den Blick für die anderen nicht verlieren und ihnen beistehen.
Mache uns bereit, Einschränkungen in Kauf zu nehmen und lass uns dazu beitragen, dass andere Menschen nicht gefährdet werden.
Erhalte in uns die Hoffnung auf dich, unseren Gott, der uns tröstet wie eine liebende Mutter und der sich aller annimmt.

Dir vertrauen wir uns an.
Dich loben und preisen wir, heute und alle Tage unseres Lebens bis in
Ewigkeit.

Wir beten mit der ganzen Christenheit auf Erden: Vater unser im Himmel…

Pastor Carsten Adolfs