Alles beginnt mit der Sehnsucht (Nelly Sachs)

Wenn ich als Kind etwas richtig verbockt hatte, gab es bei uns den Stubenarrest. Alle Kontakte und Spielmöglichkeiten wurden auf ‚null‘ gesetzt. Diese Strafe begleitete der Satz: „Dann hast du mal Zeit, nach zu denken“.
Die Corona Anordnungen zwingen uns, uns zurück zu ziehen und auf vieles zu verzichten, was bis gestern so selbstverständlich dazu gehört und uns in Begegnung und Austausch mit anderen gebracht hat. Und ein baldiges Ende dieser Beschränkungen ist nicht ab zu sehen.
Ich stelle fest, dass ich erst lernen musste, diese ‚Freiheit von‘ oder ‚Verzicht auf‘ mit seiner negativen Charakteristik anders zu bewerten. Es ist ein Mangel, dass ich meine Töchter, meine Enkelkinder nicht besuchen soll. Es ist ein Mangel, dass in unseren Kirchen das öffentliche religiöse Leben zurzeit nicht möglich ist. Sie werden diese kleine Aufzählung sicher mit ihren Mangel-Erfahrungen anreichern können.
Das Selbstverständlichkeit, dass wir alles „sofort“ bekommen konnten, ist in dieser Zeit, in der wir gerade leben, aufgehoben.
Ich entdecke, dass mich der Satz: „Alles beginnt mit der Sehnsucht“ (Nelly Sachs) bei meiner emotionalen Bewältigung der Mangelsituationen besser unterstützt und Raum gibt, kreativ zu werden. Mit einer Haltung der „Sehnsucht“ eröffnet sich mir dieser Raum, den Abt Odilio Lechner, OSB so beschreibt: „Ich wünsche Dir, dass Du leer werden kannst von dem Vielen, das Dich zerstreut – und dass Du in der Leere die Fülle findest.“
Nutzen wir die Stille und füllen Sie mit Leben.

Holger Schirk