„Tod und Vergehen waltet in allem“

So lautet die erste Zeile eines vierstrophigen Hymnus. Er wird jeweils am Mittwoch in der Komplet, im Nachtgebet der Kirche gebetet. Ich habe ihn schon sehr oft gebetet. In der ersten Woche der Ausgangsbeschränkungen, der Schul- und Kita-Schließungen und mit den frischen Bildern aus überfüllten Krankenhäusern und vielen Sterbefällen in besonders betroffenen Regionen im Kopf, versetzte mir der altbekannte allzubekannte Vers doch erst einmal einen Stich, eine Schrecksekunde. „Tod und Vergehen waltet in allem“. Das wurde plötzlich als Bedrohung sehr greifbar. Seitdem fällt er mir immer wieder ein, wenn ich auf an sich ganz unschuldige Griffe an Türen und Einkaufswagen, Tastaturen an Bankautomaten oder Geldscheine schaue – und auf meine Hände, die sie angefasst haben. Der unsichtbare böse Feind lauert überall. „Tod und Vergehen waltet in allem.“

Der Hymnus stellt die Vergänglichkeit aller Dinge aber nur ganz nüchtern fest. Nicht als Bedrohung von außen, sondern als etwas, das zutiefst und zuinnerst dazu gehört. Auch die Angst davor kommt aus dem eigenen Innern.

„Tod und Vergehen waltet in allem
steht über Menschen, Pflanzen und Tieren,
Sternbild und Zeit.

Du hast ins Leben alles gerufen.
Herr, deine Schöpfung neigt sich zum Tode:
Hole sie heim.

Schenke im Ende auch die Vollendung.
Nicht in die Leere falle die Vielfalt
irdischen Seins.

Herr, deine Pläne bleiben uns dunkel. –
Doch singen Lob wir dir, dem dreieinen,
ewigen Gott.
Amen.“

Der Hymnus spricht wertschätzend von der Vielfalt des Lebens und dem Wunsch, nach Vollendung und Heimholung durch Gott. Er denkt dabei über das „worst case“ Szenario hinaus.

„Doch singen Lob wir dir, dem dreieinen, ewigen Gott.“

Gerald Haringhaus